Chorea Huntington – Beispiel für ein monogenes Erbleiden

Die Chorea Huntington, früher erbliche „Veitstanz“ (Tanzwut) genannt, ist eine genetisch bedingte autosomal dominant vererbbare Nervenkrankheit. Es ist eine erst im 4. bis 5. Lebensjahrzehnt ausbrechende und dann fortschreitende Erkrankung, die innerhalb von Jahren zum Verlust der motorischen Kontrolle, zu Demenz, Wesensveränderungen und zum Tode führt. Der Name Chorea (griech. Choreia, Tanz) bezieht sich auf die von den Erkrankten durchgeführten typischen unkontrollierten Bewegungen, Zuckungen, Grimassenschneiden und einem torkeligen Gang.

Die Chorea Huntington wurde erstmals 1841 von C.O.WATERS beschrieben und später nach dem amerikanischen Nervenarzt GEORGE HUNTINGTON (1851-1916) benannt, der sie 1872 als Erbleiden identifizierte und von einigen mit analoger Symptomatik ablaufenden Infektionen abgrenzte.

Die Ursache der Erkrankung ist eine Mutation des Huntingtin-Gens auf dem kurzen Arm des Chromosoms 4. Dabei kommt es zu einer Verlängerung der repetitiven Sequenz des Codons Cytosin-Adenin-Guanin (CAG-Repeat), das die Aminosäure Glutamin verschlüsselt und zur Bildung von Polyglutaminen führt. Bei Gesunden wiederholt sich das CAG-Codon 9 bis 35 mal, bei Erkrankten 37 bis 100 mal. Durch die Repeatverlängerungen wird eine zu lange Reihe von Glutaminresten in das Eiweiß Huntingtin eingebaut. Dadurch wird eine Strukturumwandlung des Proteins in eine Amyloidstruktur herbeigeführt, welches nun in das Kalziumgleichgewicht der Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zellen, eingreift und damit zu einer direkten Zerstörung von Neuronen führt.

Zwischen der Anzahl der Repeats und der Schwere der Erkrankung besteht ein enger Zusammenhang. Je mehr repetitive Sequenzen vorliegen, desto früher bricht die Krankheit aus und desto heftiger ist ihr Verlauf. Mutationen, die zu verlängerten Polyglutaminen führen, wurden auch bei der Alzheimer-Erkrankung und der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit festgestellt.

Fast alle Erkrankungen beruhen auf einer von einem Elternteil ererbten Mutation. Die Häufigkeit der Chorea Huntington wird mit 5 bis 10 auf 100 000 Menschen angegeben, wobei durch die autosomale Vererbung Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind. Bei etwa 3 % der Erkrankungen weist keiner der Elternteile eine Genmutation auf, so dass eine Neumutation eingetreten sein muss.

Die Krankheit beginnt häufig mit einer Bewegungsunruhe der Arme, Beine, des Rumpfes und des Kopfes, die sich zu unwillkürlichen Bewegungsabläufen steigert. Betroffene versuchen diese Bewegungen zunächst zu verbergen. Sie streichen sich nach einer unwillkürlichen Armbewegung z. B. übers Haar oder lecken sich nach dem unwillkürlichen Herausstrecken der Zunge die Lippen. Zunehmend geraten die Bewegungen aber außer Kontrolle, Arme und Beine werden herumgeschleudert, es kommt zum Grimassenschneiden, Sprechen und Schlucken fallen zunehmend schwerer.

Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es durch die Erhöhung des Muskeltonus zu einer Verlangsamung der Bewegungsabläufe. Die Gliedmaßen können minuten- bis stundenlang in einer schmerzhaften Fehlstellung verharren. Der Patient ist dann nicht mehr fähig, durch Mimik, Gestik oder Sprache zu reagieren. Das Schlucken und Atmen fällt immer schwerer. Die Atemstörungen und durch Verschlucken herbeigeführte Lungenentzündungen führen häufig zum Tode. Psychische Beschwerden gehen den neurologischen häufig voran. Leichte Beeinträchtigungen der intellektuellen Fähigkeiten und Gedächtnisstörungen werden im Frühstadium häufig übersehen. Unbedachtes, impulsives Verhalten und eine Enthemmung in den zwischenmenschlichen Beziehungen folgen. Im Spätstadium der Erkrankung kommt es zu Störungen der Merkfähigkeit, zu einer damit verbundenen Desorientierung und gelegentlich zu Wahnvorstellungen. Alle Patienten entwickeln eine Demenz, das bedeutet den vollständigen Verlust geistiger Fähigkeiten.

Das Fehlen jeglicher Therapie zum gegenwärtigen Zeitpunkt führt zu schwerwiegenden sozialen Problemen. Momentan erfolgt lediglich eine Behandlung der Symptome, nicht der Ursachen. Durch Bewegungstherapien beispielsweise soll dem Prozess der eintretenden Verlangsamung entgegen gewirkt werden.
Die ethische Problematik der genetischen Familienberatung kann auch dadurch nicht gelöst werden, dass es möglich ist, durch Genom-DNA-Untersuchungen das Vorhandensein oder Fehlen eines defekten Allels zu diagnostizieren. Eine genetische Vorhersagediagnostik bei gesunden Risikopersonen muss wohlüberlegt sein und darf nur auf ausdrücklichen Wunsch vorgenommen werden. Eine entsprechende psychologische Vor- und Nachbetreuung der Risikopatienten muss auf jeden Fall gewährleistet sein.

Das phänotypisch späte Auftreten der Krankheit erst nach der reproduktiven Lebensphase erklärt, warum das defekte Allel ohne wesentliche Einschränkungen an die Folgegenerationen weitergegeben wird.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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