(griech.: chiton = Panzer) ist eine hornige weiße Substanz, die aus verschiedenen tierischen Organismen isoliert wird. Es handelt sich um ein aminozuckerhaltiges Homopolysaccharid der allgemeinen Formel ()x = (N-Acetyl-D-glucosamin)x mit der durchschnittlichen Molmasse von 400000 g/mol.
Die N-Acetyl-D-glucosamin-Monomere sind kettenförmig durch-1,4 - glykosidische Bindungen miteinander verknüpft. Chitin besitzt für viele wirbellose Tiere eine ähnliche Stützfunktion, wie Cellulose bei Pflanzen.
Verschiedene Homopolysaccharide | ||||
Homo- poly- saccha- rid |
Zucker- kom- ponente |
Ver-knüpfung | Funktion | natürliche Vorkommen |
Cellulose | Glucose | , 1 4 | Gerüstsubstanz | gesamtes Pflanzenreich |
Amylose | Glucose | , 1 4 | Nahrungs- speicherung |
Stärke, besonders Kartoffel, Mais, Reis |
Chitin | N-Acetyl- glucosamin |
, 1 4 | Gerüstsubstanz | Insekten, Krusten- meerestiere |
Inulin | Fructose | , 2 1 | Nahrungs- speicherung |
Artischocke, Chicorée |
Xylan | Xylose | , 1 4 | Gerüstsubstanz | Laubhölzer |
Glykogen | Glucose |
, 1 4 6 1, |
Nahrungs- speicherung |
Leber- und Muskelzellen aller Tiere |
Amylo- pectin |
Glucose |
, 1 4 6 1, |
Nahrungs- speicherung |
Stärke, besonders Kartoffel, Mais, Reis |
Dextran | Glucose |
, 1 6 4 1, |
Reservestoff | vorrangig Bakterien und Hefen |
Strukturformel von Chitin
Aus Chitin sind in erster Linie die Panzer (Außenskelette) der Arthropoden (Insekten, Krebstiere, Spinnen) aufgebaut. Außerdem kann Chitin in die Strukturproteine von Mollusken, Moostierchen und Armfüßlern oder in die Zellwände von bestimmten Algen, Hefen, Pilzen und Flechten eingebaut werden. Einem bakteriellen Angriff gegenüber ist das Chitin sehr widerstandsfähig.
Daher lässt es sich auch in frühen geologischen Ablagerungen noch nachweisen. Verhältnismäßig reines Chitin findet man in Hummerschalen, Maikäferflügeln und dem Kokonfaden verschiedener Insekten. Je nachdem in welcher Kombination das Chitin mit anderen Stoffen auftritt, sind auch die Eigenschaften dieses außergewöhnlich vielseitigen Polysaccharids mit seinen aus Tausenden miteinander verketteten, stickstoffhaltigen Zuckerbausteinen unterschiedlich: Der Hummerpanzer z. B. setzt sich aus Chitin und Kalk zusammen und wird auf diese Weise zum knochenharten und schwer zu knackenden Schutz für den Hummer oder andere Krebstiere. Auch die mit Chitin ausgebildeten Mundwerkzeuge sind hart und gleichzeitig messerscharf, während die Flügel mancher Insekten zart und durchsichtig sind.
Chitin ist unlöslich in Wasser, organischen Lösungsmitteln, verdünnten Säuren und Laugen. Starke Säuren dagegen vermögen Chitin in D-Glucosamin und Essigsäure zu spalten. Bei Spaltung durch Basen entstehen Acetate und Chitosan. Chitosan hat gel- und filmbildende Eigenschaften.
In der Natur kann Chitin durch die in einigen Schimmelpilzen und Bakterien befindlichen Chitinasen gespalten und abgebaut werden. Der Aufbau von Chitin wird durch das Enzym Chitinsynthase katalysiert. Die Hemmung dieses Enzyms bildet die Grundlage für die Wirkung des Insektizids Diflubenzuron.
Neben der Cellulose ist Chitin das häufigste Biopolymer der Welt. Jährlich werden etwa 100 – 200 Milliarden Tonnen dieses Stoffes von wirbellosen Tieren, Pilzen, Algen und Flechten produziert. Um diese Zahl etwas zu veranschaulichen: Dieses Gewicht entspricht in etwa 1 500 bis 3 000 Milliarden Menschen. Auf der Suche nach alternativen nachwachsenden Rohstoffen ist die Industrie auf dieses in gewaltigen Mengen vorkommende Molekül aufmerksam geworden.
Mittlerweile wird Chitin v. a. aus den Panzern von verschiedenen Krebstieren (Hummer, Nordseekrabbe, Grönlandgarnele usw.) gewonnen. Das reine Chitin allerdings (farblos, geruchlos, in fast allen Flüssigkeiten unlöslich) ist für die industrielle Verwertung kaum nutzbar. Wenn jedoch der Kalk der Krebstierpanzer mit Säure herausgelöst ist und die noch anhaftenden Fleischreste mit starken Laugen entfernt werden, wird das Chitin auf diese Weise chemisch verändert, es entsteht das schon erwähnte Chitosan, das ein geeignetes Ausgangsprodukt mit altbewährten und neuen Eigenschaften für viele Anwendungen ist.
Die neuen Eigenschaften sind z. B. die leichtere Löslichkeit und die damit verbundene Eignung, zu Gelen, Folien oder Fasern verarbeitet zu werden. Es ist ungiftig, biologisch abbaubar und löst keine Allergien aus. Als ein Nebenprodukt der Krebstierverarbeitung wird Chitosan z. B. folgendermaßen genutzt:
Chitin ist also ein vielseitig nutzbarer Rohstoff, doch bisher sind die weltweit verarbeiteten Chitinmengen gering, denn schon die Gewinnung des Naturstoffes aus Krebstierschalen ist aufwendig, die chemische Synthese des Chitosans noch mehr. Um den stetig zunehmenden Bedarf an dem nachwachsendem Wundermittel zu decken, sollen zukünftig zwei weitere Chitinquellen angezapft werden: die riesigen Krillbestände der antarktischen Kleinkrebse und Pilzkulturen.
Japan und die Vereinigten Staaten sind führend bei der Verarbeitung und Nutzung der begehrten Ressource, in Japan bildet Chitin das Fundament eines eigenen Industriezweiges. Deutschland ist bei der Produktion noch sehr verhalten.
Das enorme Nutzungspotenzial dieses vielseitigen Stoffes scheint noch längst nicht ausgeschöpft. Vor allem in der Medizin und in der Pharmazie sind die einzigartigen Eigenschaften dieses „Stoffes“ interessant. So wurde herausgefunden, dass das gelöste Chitosan beispielsweise Schleimhäute durchlässiger für Medikamente macht, die nun auf neue Weise ins Blut gelangen können: So können vielleicht Diabetiker in naher Zukunft auf ihre Spritzen verzichten, und der Sprühstoß eines Nasensprays ist bereits ausreichend, um das lebensnotwendige Insulin in den Körper zu bringen – dank des Stoffes, der aus der „Krabbenkruste“ gewonnen wird.
Eine große Zukunft besitzt das Chitin sicherlich auch in der Verwendung als Biopolymer zur Konstruktion verschiedenster Baustoffe und Bauteile (Bionik).
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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