Das Griechische formte den englischen Wortschatz in den verschiedenen Phasen seiner Entwicklung:
In der altenglischen Periode beeinflusste das Griechische indirekt über das Kirchenlatein den englischen Wortschatz. Bei vielen Wörtern, die aus der lateinischen Sprache abgeleitet scheinen, ist die griechische Herkunft unverkennbar. Folgender Weg hat sich bei der Entlehnung vollzogen:
gr. ángelos > lat. angelus > engl. angel - Gottesbote, Engel
gr. epistolé > lat. epistula > engl. epistle - Brief
gr. hýmnos > lat. hymnus > engl. hymn - Loblied, Hymne
gr. psalmós > lat. psalmus > engl. psalm - Psalm
Die Entlehnung griechischer Wörter im Lateinischen und von dort in andere Sprachen ist oft auf die Übersetzung der Bibel zurückzuführen. Das Alte Testament auf Griechisch erhielt die lateinische Bezeichnung Septuaginta (septuaginta = siebzig), da diese Übersetzung der hebräischen Vorlage in siebzig Tagen von siebzig Übersetzern geschaffen worden sein soll. Seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. wurden Teile des Neuen Testaments, das ebenfalls zuerst in Griechisch vorlag, ins Lateinische übersetzt. Die erste vollständige Übertragung ins Lateinische wurde von HIERONYMUS Ende des 4. Jahrhunderts angefertigt. Seine lateinische Gesamtübersetzung trägt den Namen Vulgata (lat. vulgatus = verbreitet, bekannt). Sie gilt seit dem 16. Jahrhundert als verbindlicher Bibeltext innerhalb der katholischen Kirche.
Zahlreiche griechische Begriffe gelangten auch durch die Übersetzungen anderer Werke ins Lateinische. Das Englische kam daher bei der Begegnung mit der lateinischen Sprache mit bereits assimilierten (= angeglichenen) griechischen Wörtern in Berührung.
Die meisten griechischen Wörter wirkten auch in dieser Periode indirekt – durch das Lateinische oder Französische – auf den englischen Wortschatz ein.
Neben kirchlichen Lehnwörtern wurden im 14. und 15. Jahrhundert auch weltliche Begriffe übernommen. Zu ihnen gehören Wörter wie comedy, dialogue, diphthong, echo, thesis, deren griechische Formen komoidía, diálogos, echó, thésis lauten. Der sprachwissenschaftliche Begriff diphthong hat folgenden etymologischen Ursprung: Er setzt sich aus der Silbe di- für die Zahlwort „zwei“ und dem Verb phthengomai zusammen, das „ertönen, Laut von sich geben“ bedeutet. Ein Diphthong ist also ein „aus zwei Tönen bestehender Laut“, ein Doppellaut. Ein Monophthong ist demnach ein einfacher Vokal. Analog lässt sich der Begriff Triphthong bilden, also eine Kette von drei Vokalen.
An dieser kleinen Auswahl von Beispielen wird einerseits deutlich, dass Entlehnung auf ganz verschiedenen Gebieten stattgefunden und zu Begriffen geführt hat, die heute aus dem Englischen kaum wegzudenken sind. Andererseits sind Wörter griechischen und lateinischen Ursprungs auch fester Bestandteil anderer Sprachen, so dass ein einmal erschlossenes Lehnwort trotz leicht veränderter Erscheinung auch in einer anderen Sprache schnell zu erkennen und zu verstehen ist. Hieran zeigt sich, dass die griechische Sprache – ebenso wie das Lateinische – in ganz Europa wirksam war.
In der Renaissance nahm das Interesse an Forschung und Erkenntnisvermehrung stark zu, die Entfaltung der Wissenschaften setzte ein. Daher etablierten sich Wörter, die wissenschaftliches Vorgehen bezeichnen, wie diagram, experiment, idea, method, problem, solution, system, theory. Das Kirchenlatein verlor hingegen an Bedeutung.
Neue Wissensgebiete wurden erschlossen. Um neue Phänomene und Erkenntnisse beschreiben oder definieren zu können, waren neue Bezeichnungen erforderlich. Vor allem auf den Fundus der klassischen Sprachen wurde zurückgegriffen, um die Lücken im heimischen Wortschatz zu füllen, was mit der Vorbildfunktion zusammenhängt, die sowohl das Griechische als auch das Lateinische in der Renaissance hatten.
Als Beispiel sei das Gebiet der Medizin angeführt, in deren Terminologie sich überwiegend Gräzismen etabliert haben. Das liegt an der im Griechischen meist sehr durchsichtigen Wortbildung, in der die Affixe (also die Gruppe der Prä- und Suffixe) eine bestimmte Bedeutung tragen.
Typische Suffixe zur Bezeichnung von Krankheiten sind -itis und -osis, wie sich an folgenden Beispielen belegen lässt:
Arthritis und bronchitis weisen auf die Entzündung der entsprechenden Körperteile hin (árthron – Gelenk).
Symbiosis, psychosis und tuberculosis sind bestimmte Zustände, in denen sich der Organismus befinden kann. Als metamorphosis wird ein Wandlungsprozess bezeichnet.
Die neu kreierten Bezeichnungen erschwerten für Laien ohne Griechischkenntnisse den wissenschaftlichen Zugang zur Medizin. Im Mittelenglisch war für alle bekannten Krankheitsphänomene, für die Körperfunktionen wie auch die Anatomie eine englische Terminologie vorhanden. Die bisher verwendeten Bezeichnungen wurden in der Renaissance durch gelehrte Fremdwörter ersetzt, gingen der Sprache aber nicht verloren: Sie erlitten meist eine Abwertung und gehörten fortan zum derben Wortschatz. So waren bis zum 16. Jh. Wörter, die typischerweise aus vier Buchstaben bestehen und heute als four-letter bzw. swear words bezeichnet werden, Teil des medizinischen Wortschatzes.
Auch in der Periode des Early Modern English gelangten viele griechische Wörter durch das Lateinische in den englischen Wortschatz: anachronism, atmosphere, chaos, chronology, climax, crisis, critic, dogma, enthusiasm, pneumonia (= Lungenentzündung), scheme, skeleton, system, tactics.
Durch die Erneuerung der griechischen Studien gab es während der Renaissance zum ersten Mal in der englischen Sprachgeschichte auch direkte Entlehnungen aus dem Griechischen. Nachweislich sind auf diese Weise folgende Wörter in die englische Sprache gelangt: anonymous, catastrophe, criterion, idiosyncrasy (= Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe und Reize), lexicon, polemic, thermometer.
Neben der auffälligen Zunahme an Gräzismen und Latinismen etablierten sich mit algebra und chemistry auch Begriffsentlehnungen aus dem Arabischen, da das ansteigende wissenschaftliche Interesse in der europäischen Renaissance auch zur Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und deren Wissenschaftsgeschichte führte.
In manchen Fällen mag auch die Bequemlichkeit der Gelehrten, nach einem geeigneten englischen Äquivalent zu suchen oder eine englische Umschreibung vorzuziehen, die enorme lexikalische Expansion (= Expansion des Wortschatzes) in der frühneuenglischen Periode begründen.
Die Einbürgerung neuer Wörter war jedoch nicht unumstritten. In der Zeit zwischen 1500 und 1650 wurden hitzige Diskussionen um das Für und Wider von Entlehnungen aus anderen Sprachen geführt. Die bereits im Artikel „Der lateinische Einfluss“ dargestellte inkhorn debate oder auch inkhorn controversy erreichte Mitte des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Griechische wie lateinische Lehnwörter galten in der Diskussion um die Gestalt der englischen Schriftsprache als hard words (schwer verständliche Wörter).
In der Kontroverse stritten verschiedene Lager: Einerseits das der sprachlichen Puristen (lat. purus = rein), die die Schwächung der englischen Sprache befürchteten und daher jeglichen Fremdeinfluss ablehnten. Ihre Absicht war es, die Verständlichkeit des Englischen fördern und die zu beobachtende falsche Verwendung von fremdsprachigen Begriffen zu verhindern.
Andererseits gab es starke Befürworter der sprachlichen Bereicherung, die eine Aufwertung des Englischen insbesondere durch die klassischen Sprachen anstrebten. Sie hielten Fremdwörter und Entlehnungen für notwendig, um in einer klassisch-zivilisierten Sprache niveauvolle Literatur verfassen zu können.
Für einen Mittelweg traten die Verfechter der gemäßigten Bereicherung ein. Sie plädierten für eine Verbindung des englischen Wortschatzes mit Neologismen (= Neubildungen), um so die Verständlichkeit der Sprache zu gewährleisten.
Umstritten waren hierbei auch die beiden griechisch-stämmigen Begriffe democracy und encyclopedia, die heute selbstverständlich und unverzichtbar scheinen.
Von allen englischen Autoren der Renaissance bewies einer mehr Kreativität und Instinkt für Wortschöpfungen von langer Lebensdauer als alle anderen: WILLIAM SHAKESPEARE. Seine Dramen umfassen nicht nur einen erstaunlich großen Wortschatz im Vergleich zu anderen bedeutenden englischen Autoren und zum Umfang des Bibelwortschatzes. Sie weisen auch Neologismen auf, die noch heute weit verbreitet sind. Zu diesen gehören Wörter wie to educate, fashionable, pious, restoration und Wendungen wie to cheer someone up, a foregone conclusion, foul play und nicht zuletzt - als Spiegel der Zeit und ihrer Probleme - die Phrase it's Greek to me als eine Umschreibung für eine unverständliche Ausdrucksweise.
Die meisten griechischen Entlehnungen oder Wortbildungsmuster im Englischen stammen aus der Zeit nach 1800. Bereits seit dem 18. Jahrhundert war das Griechische eine wichtige Quelle für die Terminologie der modernen Wissenschaft. Insbesondere griechische Morpheme (Morphem = kleinste bedeutungstragende Einheit in der Sprache) wurden gern als Präfix verwendet, um neue Begriffe zu bilden. Zu den häufigsten gehören die folgenden:
Auch das Gegensatzpaar philie - phobie ist griechischen Ursprungs (philía = Freundschaft, phóbos = Furcht, Flucht) und findet sich in verschiedenen wissenschaftlichen Zusammenhängen:
WILLIAM SHAKESPEARE (1564–1616)
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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