Baugeschichte des Petersdoms

Baumeister von der Renaissance bis zum Barock

Die Namen der Baumeister klingen wie das „Who is Who“ von Renaissance bis Barock in Italien:

Den Neubau begann der Begründer der klassischen Architektur der Hochrenaissance DONATO BRAMANTE (1444–1514).

„Der erste, der gute Architektur ans Licht brachte“,

wie ANDREA PALLADIO ihn würdigte.

Der Architekt plante St. Peter als riesigen Zentralbau über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes. Über dem Mittelquadrat sollte sich eine gewaltige Kuppel erheben. Vorbild war BRUNELLESCHIs Domkuppel in Florenz. Halbrunde Apsiden sollten das Bauwerk abrunden.

Nach BRAMANTEs Tod 1514 folgte ihm sein Neffe RAFFAEL. BALDASSARE PERUZZI (1481–1536), langjähriger Assistent der beiden ersten, wurde die Bauleitung nach RAFFAELs Tod übertragen. Den Staffelstab übernahm 1547 MICHELANGELO. Die Hauptkuppel, von ihm entworfen, ist innen 119 Meter hoch. Von ihm stammt auch die Píeta.

GIACOMO BAROZZI DA VIGNOLA (1507–1553) wurde MICHELANGELOs Nachfolger. GIACOMO DELLA PORTA (um 1540–1602) war seit 1573 Baumeister der Peterskirche. Er und DOMENICO FONTANA (1543–1607) beendeten den Kuppelbau nach MICHELANGELOs Tod. Vom frühbarocken Baumeister CARLO MADERNO (1556–1629) stammt die Fassade sowie der Weiterbau auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes, der Barockmeister GIAN LORENZO BERNINI (1598–1680) vollendete schließlich den Bau mit der Gestaltung des Hochaltars und der Vierung sowie der Anlage des Petersplatzes.

Realisation des Baues

Einen entscheidenden Impuls zur Entwicklung barocker Formen hatte noch MICHELANGELO mit der Kuppel für St. Peter in Rom gegeben. Statt der Reinheit der Kugel wollte er die kraftvolle Dehnung der Ellipse. Eine neue Generation junger Architekten führte diese Gedanken weiter.

St. Peter in Rom sollte nach den Plänen von BRAMANTE dem Raumverständnis der Hochrenaissance folgend ein Zentralbau auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes mit mächtiger Hauptkuppel und vier Nebenkuppeln werden. Realisiert wurde von diesem Bauplan nur MICHELANGELOs riesige, 112 Meter hohe Hauptkuppel, die DELLA PORTA um 1590 vollendete.

Unter dem Einfluss der barocken Baugesinnung wurde um 1600 durch Papst PAUL V. der Bauplan geändert. CARLO MADERNA, der bedeutende Baumeister des römischen Frühbarocks, übernahm Planung und Bauleitung. Der noch nicht vollendete Ostteil des Domes wurde als wuchtiges Langhaus weit in den Petersplatz vorgebaut. Unter Einbeziehung der Renaissancekuppel entstand das größte sakrale Barockkunstwerk und die größte Kirche der Christenheit überhaupt.

Im Jahre 1612 schuf CARLO MADERNO die dem Petersplatz zugewandte Fassade. Dem kühnen Architekten gelang das Kunststück, die gewaltigen Baumassen der symmetrischen Fassade des Petersdomes trotz dominanter Horizontalenbetonung durch Gebälk und Gesims organisch zu gliedern: Eine Kolossalordnung gewaltiger Säulen und Pfeiler fasst die unteren Geschosse zusammen. Die Stützenstellung wird zunehmend enger, aus flachen Pilastern werden Säulen, die eine den Bogen des Hauptportals rahmende Tempelfront mit Dreiecksgiebel bilden und die Last des gewaltigen Gebälks und der hohen Attika gegen MICHELANGELOs Kuppel stemmen.

BERNINIs Leistung als Architekt

Unter der Kuppel erwächst der nach Plänen von GIOVANNI LORENZO BERNINI (auch: GIAN LORENZO BERNINI, 1598-1680) gegossene und 1633 geweihte 29 Meter hohe Bronze-Tabernakel über dem Grab des Apostelfürsten PETRUS, mit dem er eine grandiose Bildhauer-Architektur schuf. Ein Baldachin wird von vier reich geschmückten, spiralförmig gedrehten Säulen getragen.

Statische, plastische und dekorative Formen verschmelzen in bildhafter Gesamtwirkung. Ornamente, Säulen, Kapitelle und Gebälk sind wie Skulpturen modelliert und scheinen zu eigenem Leben zu erwecken. Die gewundenen Ecksäulen und der Oberbau sind reich vergoldet. Vor dem Baldachin liegt der Eingang zum PETRUS-Grab – von einer Balustrade mit 95 immer brennenden vergoldeten Bronzelampen umgeben.

BERNINIs Altar im Chor des Petersdomes ist geradezu eine Inszenierung des Überirdischen, die sich aller Kunstgattungen und optischen Effekte bedient.

Petersplatz

Um unmissverständlich nach außen zu demonstrieren, dass Rom der Mittelpunkt der christlichen Welt ist und der Herrschaftsanspruch der römisch-katholischen Kirche allumfassend war, sollte auch der Petersplatz eine würdige Gestaltung erfahren und der Peterskirche ihren glanzvollen baulichen Abschluss geben.

Nach BERNINIs genialem Plan wurde der ursprünglich weite, öde Platz vor der Kirche zwischen 1656 und 1667 zu einem gewaltigen, von Säulen gerahmten Atrium organisiert. BERNINI selbst verglich seine Kolonnaden mit den mütterlich alles umfassenden Armen der Kirche, die alle Gläubigen vereine und Ketzer gütig wieder aufnehme. Ein im Oval sich weitender Kolonnadenrahmen umschließt den Platz mit einer Länge von 240 Metern und einer Breite von 340 Metern.

Die Kolonnaden bilden einen gedeckten Weg für die Fronleichnahmsprozession und säumen gleichsam den Aufgang zur Peterskirche. In den halbkreisförmigen Kolonnadenarmen drücken jeweils vier hintereinander stehende dorische Säulen (insgesamt 284) das Gebälk mit der Balustrade in die Höhe, die mit 162 kolossalen Statuen von Märtyrern und Bekennern bekrönt ist. An den Kolonnadenecken stehen insgesamt 88 mächtige Vierkantpfeiler.

In dieser Platzanlage spiegelt sich eine wesentliche Intention aller Barockbaumeister wider: die Gestaltung des Freiraumes, in den ein Bauwerk eingefügt wird. Herausgelöst aus der mittelalterlichen Stadtanlage soll es durch das neue Konzept erhoben werden, voll zur Geltung kommen.

In der Mitte des elliptischen Platzes steht ein um die Zeitenwende in Ägypten angefertigter Obelisk. GIOVANNI LORENZO BERNINIs „theatrum sacrum“ bringt so das Wunderbare auf die Erde und wird vorbildlich für die sakrale Architektur in Europa.

Bedeutung BERNINIs

BERNINI avancierte zum bedeutendsten und den gesamten Stil prägenden Baumeister des italienischen Frühbarock und der Petersdom wurde zu seiner Lebensaufgabe. Bis zu seinem Tode 1680 konnte BERNINI in Konkurrenz mit nur wenigen anderen überragenden Bildhauern und Architekten das künstlerische Gesicht der Stadt Rom maßgeblich mitbestimmen.

Mit einem großen Mitarbeiterstab agierte er wie ein Großunternehmer, um die zahlreichen Aufträge für

  • Paläste,
  • Kirchen,
  • Brunnenanlagen und
  • festliche Innendekorationen

bewältigen zu können.

Seine Ideen wirkten in die katholischen Länder weit über die Grenzen Italiens hinaus.

Der unerwartet früh verstorbene WILHELM HEINRICH WACKENRODER (1773–1798) beschäftigte sich u. a. mit dem Petersdom:

„Erhabenes Wunder der Welt! Mein Geist erhebt sich in heiliger Trunkenheit, wenn ich deine unermeßliche Pracht anstaune! Du erweckest mit deiner stummen Unendlichkeit Gedanken auf Gedanken, und lässest das bewundernde Gemüt nimmer in Ruhe kommen.“

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