Tabelle mit Zufallszahlen
Lutz nervt seine Schwester Gudrun wieder einmal mit einer Mathematikaufgabe. Diese lautet wie folgt:
Anmerkung: Die Aufgabe lautet nicht: Eine Familie hat zwei Kinder, das ältere von beiden ist ein Mädchen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit hat die Familie einen Jungen?
„Na, !“, antwortet Gudrun auf Lutz' Frage widerwillig.
„Denkste, !“, erwidert überlegen lächelnd der Bruder. „Soll ich es dir erklären?“ - „Lass mich bloß mit deinen theoretischen Spitzfindigkeiten in Ruhe ... Oder kannst du deine Behauptung vielleicht praktisch beweisen?“
Im ersten Moment ist Lutz etwas perplex angesichts von so viel Kaltschnäuzigkeit seiner Schwester, aber dann blitzt es in seinen Augen.
„Das kannst du haben“, sagt er. „Wir nehmen zwei Würfel, gerade Zahl bedeutet Mädchen, ungerade Zahl Junge. Nach dem Würfeln notieren wir als Ergebnis entweder 2 (zwei Mädchen), 1 (nur ein Mädchen) oder 0 (kein Mädchen). Einhundertmal wird gewürfelt. Zuerst zählen wir alle n Ergebnisse, die positiv sind, und dann davon die z Ergebnisse, die mit 1 notiert sind. Der Quotient aus beiden Zahlen müsste ein Schätzwert für die gesuchte Wahrscheinlichkeit sein. Und dann werden wir ja sehen, wer recht hat.“
Jetzt wird es für Gudrun spannend, und los geht es mit dem Würfeln. Als Ergebnis erhalten die Geschwister etwa 0,67.
Simulation zu Jungen- und Mädchengeburten
(Interaktive) Simulation zu Jungen- und Mädchengeburten
Das so gewonnene Ergebnis spricht tatsächlich für Lutz. Nun will Gudrun von ihrem Bruder doch die theoretische Erklärung erfahren.
Diese könnte etwa folgendermaßen lauten: Da eines der beiden Kinder älter als das andere ist (von Mehrlingsgeburten wird hier abgesehen), sind die folgenden gleichwahrscheinlichen (als Tupel geschriebenen) Ergebnisse möglich (wobei das ältere Kind jeweils an erster Stelle steht):
Aufgrund der Aufgabenstellung kommen nur die Tupel in Betracht, wovon die letzten beiden „günstig“ sind, d.h. es gilt:
Die beiden Geschwister haben ein reales Zufallsexperiment mit einem Zufallsgerät (hier: mit einem Würfel) nachgebildet. Man nennt dies Simulieren bzw. Simulation (abgeleitet vom lateinischen Wort simulare, was laut Wörterbuch mit „nachbilden“, „nachahmen“, aber auch mit „heucheln“, „vorgeben“ übersetzt werden kann). Die Übersetzung im Sinne von Nachbilden, Nachahmen wird vor allem in Bezug auf technische Vorgänge verwandt. Fast jeder kennt aus der Fahrschule den Fahrsimulator. Uns interessiert hier aber nicht die so genannte deterministische, sondern die stochastische Simulation, deren Umstände und Bedingungen im Folgenden genauer analysiert werden sollen.
Ausgangspunkt einer Simulation ist im Allgemeinen ein reales Zufallsexperiment, das entweder gar nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand (sei es an Geld, Zeit, Material usw.) hinreichend oft, unabhängig voneinander realisiert werden kann. Es kann auch die Situation eintreten, dass ein diesem Zufallsexperiment angepasstes mathematisches Modell keine brauchbaren Lösungen für die gesuchten Wahrscheinlichkeiten liefert bzw. auf analytischem Wege eine Lösung nicht oder nur mit einem unvertretbar hohem Aufwand gewonnen werden kann.
Gesucht wird ein „Ersatz“-Zufallsexperiment, das auf einem geeigneten Zufallsgerät beruht, „relativ einfach“ hinreichend oft, unabhängig voneinander realisiert werden kann und dessen mathematisches Modell mit dem mathematischen Modell des ursprünglichen Zufallsexperiments strukturgleich ist. So ist z.B. der ideale Würfel strukturgleich zu einer Urne mit sechs gleichartigen, verschiedenfarbigen Kugeln.
Traditionelle Zufallsgeräte sind die Münze und der Würfel. Verschiedentlich wird auch die Urne verwandt. Sie dient in der Stochastik aber mehr der gedanklichen Simulation. Eingesetzt werden auch Tabellen von Zufallszahlen. Mit der Entwicklung der modernen Computertechnik erlangen die Pseudozufallszahlen eine herausragende Stellung als Zufallsgerät.
Das „Ersatz“-Zufallsexperiment wird hinreichend oft, unabhängig voneinander realisiert. Auf der Grundlage des empirischen Gesetzes der großen Zahlen können so näherungsweise Angaben über die gesuchten Wahrscheinlichkeiten gemacht werden.
Mit der technischen Entwicklung gewinnt die computergestützte Simulation immer mehr an Bedeutung. Die ersten Schritte in diese Richtung unternahm wohl JOHN VON NEUMANN (1903 bis 1957) im Jahre 1944 bei der Untersuchung kernphysikalischer Reaktionen im Zusammenhang mit der Entwicklung der amerikanischen Atombombe.
Die in Computern enthaltene Randomfunktion simuliert eine Gleichverteilung auf dem halboffenen Intervall . Bei praktischen Anwendungen sind aber vielfach Vorgänge zu simulieren, denen keine Gleichverteilung zugrunde liegt.
Ein mathematisches Modell, das diesem zufälligen Vorgang angepasst ist, kann durch zwei Annahmen beschrieben werden:
Strukturgleich zu diesem Modell ist das Modell einer unabhängigen Folge von BERNOULLI-Experimenten mit der Misserfolgswahrscheinlichkeit (Zerfall eines Kerns) p, d.h. bei jedem Zeittakt wird für jeden noch existierenden Kern entschieden, ob er mit der Wahrscheinlichkeit p zerfällt oder ob er mit der Wahrscheinlichkeit „weiterlebt“.
Den spontanen Zerfall der Kerne eines radioaktiven Isotops in einem bestimmten Zeitpunkt t kann man nun mit folgendem „Ersatz“-Zufallsexperiment simulieren. Mit der Randomfunktion werden unabhängig voneinander Werte ermittelt, wobei jedem Wert genau dann eine 1 zugeordnet wird, wenn er im Intervall liegt, sonst eine 0 (wobei die Anzahl der im Zeitpunkt t existierenden Kerne ist).
Um den Zerfallsprozess auf dem Taschencomputer taktweise verfolgen zu können, werden die anfangs vorhandenen n Kerne eines radioaktiven Präparates als eine senkrechte Linie bestehend aus n Einheiten dargestellt und zwar über der x-Achse als Zeitachse bestehend aus m Einheiten ganz links. Nachdem die Simulation für eine Zeiteinheit durchgeführt wurde, wird die Anzahl der „überlebenden“ Kerne erneut als senkrechte Linie über der entsprechenden Zeiteinheit dargestellt. Die Simulation endet, wenn alle Kerne zerfallen oder alle Zeiteinheiten abgearbeitet sind.
Wie die folgende Abbildung zeigt, entsteht durch die Simulation mit näherungsweise eine exponentielle Zerfallskurve.
Exponentielle Zerfallskurve
Interaktiv kann der Zerfallsprozess für andere Werte von p simuliert werden (siehe die folgenden Abbildungen), wobei p allerdings nicht zu groß gewählt werden sollte, sonst „zerfallen die Kerne zu schnell“.
Simulation des Zerfalls von Atomkernen
(Interaktive) Simulation des Zerfalls von Atomkernen
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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