Das Theoriegebäude der Mathematik fußt auf nicht definierten, sondern lediglich durch ihre wechselseitigen Beziehungen charakterisierten Grundbegriffen sowie auf normativen Festlegungen, die im jeweiligen mathematischen System nicht zu beweisen sind, den sogenannten Axiomen. Über dieser Basis erhebt sich ein Geflecht von (abgeleiteten, definitorisch festgelegten) Begriffen und durch Beweise gesicherten Aussagen, den mathematischen Sätzen.
Einer der wichtigsten Grundbegriffe der Mathematik ist der Begriff der Menge:
Unter einer Menge versteht man eine Zusammenfassung bestimmter real existierender oder gedachter Objekte aus einem vorgegebenen oder ausgewählten Grundbereich zu einem Ganzen.
Die einzelnen Objekte werden Elemente der Menge genannt.
Die Zusammenfassung von Objekten aus einem solchen Grundbereich G zu einer Menge erfolgt auf der Grundlage bestimmter mengenbildender Eigenschaften: Eine Menge besteht dann aus denjenigen Objekten des Grundbereichs, welche diese Eigenschaften besitzen.
In ähnlicher Weise wie oben angegeben wurde der Begriff Menge im Jahre 1895 erstmals von dem deutschen Mathematiker GEORG CANTOR (1845 bis 1918) verwendet. Dabei verstand man diese Erklärung zunächst als eine Definition des Mengenbegriffs. Bald zeigte sich jedoch, dass das Zulassen aller denkbaren Zusammenfassungen als Mengen zu Widersprüchen führen kann – nämlich dann, wenn sich nicht eindeutig entscheiden lässt, ob ein bestimmtes Objekt zur jeweiligen Menge gehört oder nicht.
Noch gut überschaubar sind in dieser Hinsicht die folgenden Beispielfälle.
Wir betrachten etwa
In den Beispielen (1) und (3) kann die genannte Gesamtheit sofort elementweise angegeben werden – es handelt sich also um Mengen.
In den Beispielen (2) und (4) sind die Eigenschaften nicht hinreichend klar festgelegt: Wann ist ein Lehrer als „freundlich“ einzuschätzen? Von welcher Saison ist die Rede? Hier liegen aus mathematischer Sicht keine Mengen vor.
Schwieriger zu überschauen sind jedoch Sachverhalte, auf die der englische Mathematiker und Philosoph BERTRAND RUSSELL (1872 bis 1970) bereits 1901 aufmerksam machte und die zu den als russellsche Antinomien (auch als eine der Antinomien oder Paradoxien der Mengenlehre) bekannt gewordenen Widersprüchen führen.
RUSSELL gab als Beispiel die Menge M aller Mengen an, die sich nicht selbst als Element enthalten. Was ist dann über M selbst zu sagen?
Nimmt man an, dass M sich selbst als Element enthält, dann gehört M (als Element von M!) zu denjenigen Mengen, die sich nicht als Element enthalten – im Widerspruch zur Annahme.
Nimmt man nun aber umgekehrt an, dass M sich selbst nicht als Element enthält, dann muss M nach Definition gerade zu M gehören. In beiden Fällen ergibt sich ein Widerspruch – die Bildung der Menge M auf die dargestellte Weise ist unzulässig.
Für diese unkorrekte Mengendefinition als „Menge aller Mengen ...“ gibt es zahlreiche anschauliche Einkleidungen, die allesamt letztlich auf einen Widerspruch führen. Das bekannteste Beispiel dürfte die Menge aller Männer eines bestimmten Dorfes sein, die sich nicht selbst rasieren, sondern durch den Dorfbarbier rasiert werden. Auch hier ist nicht entscheidbar, wohin der Dorfbarbier selbst gehört.
Widersprüche können dann entstehen, wenn man Objekte eines Grundbereichs zu Mengen zusammenfasst, die selbst erst durch diese Mengenbildung definiert werden. Die zusammenzufassenden Objekte muss man sich vor der Mengenbildung als existierend vorstellen können.
Man fordert daher:
Mengen dürfen nur Elemente der nächstkleineren „Stufe“ enthalten, wobei die Elemente von Mengen 1. Stufe „Individuen“ sind, also einzelne Objekte der Realität oder unseres Denkens, unserer Vorstellungen; Mengen 2. Stufe entstehen durch Zusammenfassen von Mengen 1. Stufe als Elementen usw.
Die Menge enthält so als Elemente die Zahlen ; der Menge B bestimmter Zahlbereiche könnten als Elemente z.B. die Menge , die Menge der negativen ganzen Zahlen, die Menge der gebrochenen, nicht-ganzen Zahlen usw. angehören.
Einen Ausweg aus den durch RUSSELL aufgedeckten Widersprüchen stellte die Axiomatisierung der Mengenlehre dar. Im Jahre 1908 gab ERNST ZERMELO (1871 bis 1953) ein Axiomensystem für die Mengenlehre, das allerdings selbst wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen war.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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