Der Widerstand des HELMUTH HÜBENER
„Landesverräter hingerichtet“ – unter dieser Überschrift berichtete am 28. Oktober 1942 der „Hamburger Anzeiger“ darüber, dass am Vortage wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung“ der Verwaltungslehrling beim Sozialamt der Stadt Hamburg, HELMUTH HÜBENER, hingerichtet worden sei. Die öffentlichen Mitteilungen über vollstreckte Todesurteile von Gegnern des NS-Regimes waren nichts Außergewöhnliches mehr. Bei der Meldung vom 28. Oktober gab es trotzdem zwei Tatsachen, die aufhorchen ließen. Der Angeklagte war Mitglied der Hitlerjugend und hatte das laut Nazi-Gesetzgebung für ein derartiges Strafmaß erforderliche Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht. Der zweite Senat des Volksgerichtshofes hatte sich am 11. August 1942 trotzdem für das Todesurteil entschieden. Für diese „Außergewöhnliche Entscheidung“ ist in dem Urteil eine ausführliche Begründung gegeben:
„Hübener, der von dem Zeugen Mons als ausgezeichneter und verlässlicher Mitarbeiter bezeichnet wurde, hat in der Hauptverhandlung eine weit über den Durchschnitt von Jungen seines Alters stehende Intelligenz gezeigt. … Auch die Überprüfung seines allgemeinen Wissens, seiner politischen Kenntnisse und seine Urteilsfähigkeit sowie sein Auftreten vor Gericht und sein Gehaben ergaben durchweg das Bild eines geistig längst der Jugendlichkeit entwachsenen frühreifen jungen Mannes. Dafür, daß demgegenüber seine sittliche Reife zurückgeblieben wäre, haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Es lassen sich auch in dem Hergang der Tat keine Merkmale finden, die für die Tat eines noch nicht ausgereiften Jugendlichen sprechen. Damit war der Angeklagte wie ein Erwachsener zu bestrafen.“
Welche Tatsachen bewogen die NS-Richter zu einem derartigen Mordurteil?
HELMUTH HÜBENER, der vom Präsidenten seiner christlichen Gemeinschaft 1941 als ehrenamtlicher Sekretär gewonnen worden war, hatte auch die Aufgabe Feldpostbriefe an Mitglieder der Glaubensgemeinschaft zu schreiben. Er nutzte die zur Verfügung stehende Schreibmaschine dazu, um Flugblätter gegen den Krieg zu verfassen. HELMUTH HÜBNER schrieb in den Flugblättern über die wahren Verluste der deutschen Truppen und die von ihnen verursachten Verbrechen an den überfallenen Völkern. Er stützte sich hierbei auf Sendungen des Londoner Rundfunks, die er seit März 1941 regelmäßig abhörte. Es war sein Bestreben, möglichst viele Menschen mit seinen Gedanken zu erreichen. Unter Freunden und Bekannten suchte er Gleichgesinnte, die ihn im Ringen gegen das verhasste NS-Regime unterstützen konnten. Es gelang ihm im August 1941, den 16-jährigen Malergesellen KARL-HEINZ SCHNIBBE, den 17-jährigen Verwaltungslehrling GERHARD DÜWER und den 16-jährigen RUDOLF WOBBE zur illegalen Mitarbeit zu gewinnen. Die Jungen halfen HELMUTH HÜBENER vor allem bei der Verbreitung der Flugblätter in Hamburg. HÜBENER, von seinem Betriebsobmann MONS angezeigt und am 5. Februar 1942 verhaftet, bekannte sich vor dem Volksgerichtshof mutig zu seiner Tat. Er habe sich verpflichtet gefühlt, seine Kenntnisse weiterzugeben, damit die Menschen die Wahrheit erführen. Neben den Feldpostbriefen hat er mit seinen Freunden Flugschriften gegen das „Land des Terrors und der Tyrannei“ an die Anschlagtafeln der NSDAP, die Kästen des Stürmer und an Telefonzellen angebracht. KARL-HEINZ SCHNIBBE, der die Nazizeit überlebt hatte, sagte später: „Unsere Aktivität war zwar zum Teil ein Spiel und zum Teil ein Abenteuer, aber sie war vor allem tödlich ernst.“ Die Urteile für HELMUTH HÜBENERS Kampfgefährten lauteten: RUDOLF WOBBE 10, KARL HEINZ SCHNIBBE 5 und GERHARD DÜWER 4 Jahre Gefängnis.
Literatur: U.Sander, Helmuth Hübener, Berlin 1983