Der protestantische Theologe ANDREAS OSIANDER wurde am 19. Dezember 1498 in Gunzenhausen/ Bayern geboren und starb am 17. Oktober 1552 in Königsberg/ Preußen. Er war 1522 der erste lutheranische Prediger in Nürnberg und nahm 1530 am Reichstag in Augsburg teil sowie 1540 an den Einigungsverhandlungen zwischen der lutheranischen und katholischen Kirche in Hagenau und Worms. Seit 1549 war er Professor für Theologie und Prediger in Königsberg.
OSIANDERs Auffassungen von der Astronomie und dem wissenschaftlichen Fortschritt
In der astronomischen Welt ist OSIANDER bekannt im Zusammenhang mit der Herausgabe des Hauptwerkes von KOPERNIKUS. Am 20. April 1541 schrieb er an KOPERNIKUS:
„Die Hypothesen halte ich immer nicht für Glaubensartikel, sondern für Grundlagen der Rechnung. Mögen sie auch falsch sein, wenn sie nur die Himmelserscheinungen genau darstellen, so macht es nichts aus. Denn wer kann uns nachweisen, ob der unregelmäßige Lauf der Sonne durch eine epizyklische oder eine exzentrische Bewegung hervorgebracht wird, wenn wir den ptolemäischen Hypothesen folgen, wo beides möglich ist. Deshalb erschiene es mir des Beifalls würdig, wenn Du darüber in der Einleitung etwas sagen würdest. So würdest Du die Anhänger des Aristoteles und die Theologen, deren Widerspruch Du fürchtest, beruhigen.“
OSIANDER hoffte, dass KOPERNIKUS ein entsprechendes Vorwort verfassen würde. Da dies aber nicht geschah und RHETICUS ihm ab Oktober 1542 die alleinige Kontrolle des Druckes von „De revolutionibus“ überließ, versah er das Werk von KOPERNIKUS mit einem eigenen, anonymen Vorwort. In diesen Zeilen heißt es:
„Allerdings müssen seine Hypothesen nicht unbedingt wahr sein, sie brauchen nicht einmal wahrscheinlich sein. Es reicht vollkommen, wenn sie zu einer Berechnung führen, die den Himmelsbeobachtungen gemäß ist. ... Niemand sollte etwas Sicheres von der Astronomie erwarten - das kann sie nicht liefern -, auf dass er nicht Ideen für wahr halte, die für einen anderen Zweck konzipiert sind, und so seine Studien als größerer Narr denn vorher beende.“
OSIANDER wollte damit das Werk von KOPERNIKUS nicht diskreditieren - er lobt es im Gegenteil mit vielen Worten. Es ging ihm vielmehr um die Anerkennung des Buches als mathematische Hypothese, d.h. so wie man die Astronomie seiner Zeit allgemein verstand. Diese hatte nicht den wahren Weltbau zu beschreiben, was den (aristotelischen) Physikern vorbehalten blieb. Ob KOPERNIKUS diese, seine Vorstellungen bewusst verfälschende Vorrede noch wahrnahm ist unwahrscheinlich, da seine Erkrankung beim Eintreffen seines Werkes schon zu weit fortgeschritten war.