Antibiotikaresistenz – eine globale Herausforderung

Gegenwärtig existieren mehr als 100 verschiedene Präparate, die Antibiotika enthalten. Alle wirkten zielsicher gegen gefährliche und tödliche Bakterienzellen, ohne die menschlichen und tierischen Zellen anzugreifen.

Nachdem Mitte der 40er Jahre das Penicillin aus dem Schimmelpilz Penicillium notatum großtechnisch gewonnen werden konnte, begann der Siegeszug gegen bakterielle Infektionskrankheiten. Inzwischen hat sich die Zahl der medizinischen „Wunderwaffen“ enorm erhöht. Man fand andere Schimmelpilze mit neuen antibiotischen Wirkstoffen und konnte sie in ausreichenden Mengen bereitstellen. So stellen beispielsweise Streptomyces-Arten Tetracyclin her, das besonders gut gegen Streptocokken wirkt. Viele natürlich hergestellte Antibiotika wurden chemisch verändert, um ihre Wirksamkeit weiter zu erhöhen. Sulfonamide und Chinolone sind rein chemisch hergestellte Antibiotika.

Die molekulare Wirkungsweise vieler Antibiotika ist aufgeklärt. Manche, z. B. Penicillin, wirken als kompetitiver Hemmer für Enzyme, die am Aufbau der Bakterien-Zellwand beteiligt sind.
Bei wachsenden Bakterien entstehen Löcher in der Zellwand, die eine Osmose bewirken. Die Bakterienzelle platzt als Folge in isotonischen oder hypotonischen Lösungen. Haben die Bakterien schon eine Zellwand aufgebaut, wirkt das Antibiotikum nicht mehr.
Viele andere Antibiotika (z. B. Streptomycin, Tetracyclin, Erythromycin) greifen in die Proteinsynthese der Bakterien ein und verhindern so den Aufbau von Eiweißen. Ihre Wirkungsstellen liegen auf der RNA oder an den Ribosomen.

Noch Mitte des vorigen Jahrhunderts dachte man, auf diese Weise alle bakteriellen Infektionskrankheiten für immer besiegen zu können. Doch bereits beim vermehrten Einsatz von Penicillin machte man die Beobachtung, dass der Wirkstoff die Erkrankung nicht bei allen Patienten zum Abklingen brachte. Nach und nach stellte man fest, dass manche Infektionen nicht mehr mit Antibiotika in den Griff zu bekommen sind.
Besonders in den Krankenhäusern haben sich unter dem Einfluss von Desinfektionsmitteln Bakterienstämme herausgebildet, die mit Antibiotika nicht mehr zu vernichten waren. Manche Infektionen führten sogar zum Tode.

Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika

BakteriumStaphylococcus aureus
VorkommenEiterbakterium,
kommt überall in der Umwelt vor, befällt die Haut,
häufiger Krankenhauskeim
KrankheitsbildBlutvergiftung,
Wundinfektion,
Lungenentzündung
ResistenzIn Krankenhäusern sind mehr als 60 % der Stämme resistent gegen Methicillin, 98 % gegen Penicillin und 100 % gegen Vancomycin. Es droht eine generelle Unempfindlichkeit gegen alle Antibiotika. Seit den 1950er Jahren bekannt.
BakteriumEnterococcus faecalis
Vorkommennormaler Darmbewohner
KrankheitsbildIm Krankenhaus führt er bei Abwehr geschwächten Patienten zu Blutvergiftung, Wundinfektion, Harnwegsinfektion.
Resistenz70 % der Stämme sind resistent gegen Cipofloxacin und 70 % gegen Ampicillin. Das Bakterium ist gegen mehr als 100 Antibiotika resistent. Seit den 1980er Jahren bekannt.
BakteriumEscherichia coli
Vorkommennormaler Darmbewohner
Krankheitsbildkann im Krankenhaus und außerhalb Harnwegsinfektionen, Blutvergiftung, Durchfall und Nierenversagen hervorrufen
ResistenzManche Stämme der Erreger von Harnwegsinfektionen sind vielfach resistent. Seit den 1960er Jahren bekannt
BakteriumStreptococcus pneumoniae
Vorkommenkommt in der Umwelt vor
KrankheitsbildBlutvergiftung, Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, Hirnhautentzündung
Resistenz10 % der Stämme sind gegen Tetracyclin und 37 % gegen Penicillin resistent. Seit den 1970er Jahren bekannt.
BakteriumMycobacterium tuberculosis
Vorkommenkommt in der Natur und im Krankenhaus vor
KrankheitsbildTuberkulose
ResistenzGegen einige Stämme wirkt überhaupt kein Antibiotikum mehr (mehr als 100 Präparate). Seit den 1970er Jahren bekannt.
BakteriumAcinetobacter
VorkommenKrankenhauskeim
KrankheitsbildBlutvergiftung
ResistenzDie Stämme sind resistent gegen fast alle Antibiotika. Seit den 1990er Jahren bekannt

 

Wie kommt es zur Resistenz der Bakterien?

Bakterien an sich sind etwas Natürliches. Sie kommen überall vor. Die meisten sind harmlose Mitbewohner. Einige schützen sogar vor Erkrankungen, indem sie pathogene Bakterien niederkonkurrieren.
Wendet man Antibiotika an, stellt die Anwendung jedes Mal einen empfindlichen Einschnitt in das Gleichgewicht dar.
Leider werden in der Humanmedizin und in der Tierhaltung viel zu viel Antibiotika angewendet. Oft geschieht das nach Gutdünken oder auf Drängen der Patienten. Mitunter werden sie auch bei Viruserkrankungen angewendet, wo sie überhaupt keinen Nutzen bringen. Viele Präparate werden falsch verwendet, weil man bei Besserung des Gesundheitszustandes die Medikamentierung abbricht. Das sind beste Bedingungen für die Bildung resistenter Bakterien.

Ein Antibiotikum tötet alle Bakterien bis auf eins oder einige weniger empfindlichere ab, falls das Medikament nicht so hoch dosiert wurde, dass alle sterben. Durch die schnelle Vermehrung entsteht bald ein weniger empfindlicher neuer Stamm. Bei weiterer Gabe des Antibiotikums werden erneut die am wenigsten empfindlichen Zellen aussortiert, bis allmählich ein resistenter Stamm entsteht. Ursache ist ein antibiotikaresistentes Gen, ein sogenanntes „Schutzgen“. Man weiß, dass diese Schutzgene meistens im Plasmid lokalisiert sind. Im Plasmid enthaltene Informationen können von Bakterium zu Bakterium ausgetauscht werden, auch über Stammesgrenzen hinaus. Idealer Ort dafür ist die Krankenhauskanalisation, wo sich die verschiedensten Arten begegnen.

Schutzgene können in drei Richtungen wirken: Das Gen kodiert

  1. ein Enzym, das das Antibiotikum abbaut.
  2. einen Carrier, der das Antibiotikum aus der Zelle schleust.
  3. ein Eiweiß, das das Antibiotikum chemisch verändert und so inaktiviert.

Das Bakterium „schlägt zurück!“ Damit hat der Kampf der Forschung gegen Infektionskrankheiten erneut begonnen.

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