- Lexikon
- Biologie Abitur
- 5 Genetik
- 5.1 Molekulare Grundlagen der Vererbung
- 5.1.6 Mutationen können die Gene verändern
- Albinismus bei Mensch und Tier
Der Begriff Albinismus umfasst eine Reihe von erblichen Stoffwechselerkrankungen, die durch einen Mangel von dunklen Pigmenten – den Melaninen – verursacht werden. Melanin ist ein dunkler Farbstoff, der in Haut, Haaren und der Netzhaut des Auges vorkommt. Er schützt den Körper, indem er die Sonnenstrahlung absorbiert, also abfängt. Unter dem Einfluss von UV-Strahlen wird in der Haut Melanin gebildet und die Haut wird dunkler. Von diesem Pigmentmangel sind die Körperoberfläche (Haut, Schuppen, Haare, Fell oder Federn) und die Augen betroffen. Die Körperoberfläche ist als Folge meist weiß (farblos) oder hell gefärbt. Gut zu erkennen ist dies beispielsweise bei weißen Tigern mit leicht schwarzen Streifen. Die Augen erscheinen häufig hellblau bzw. beim Durchscheinen der Aderhaut rot. Prinzipiell können alle Tiere und der Mensch an dieser Erscheinung erkranken.
Als „Albino" werden Organismen bezeichnet, die von diesem Gendefekt betroffen sind. Der Begriff wurde von portugiesischen Seefahrern im 18. Jahrhundert geprägt (lateinisch: albus = weiß, bzw. spanisch: „der Weißliche“), als sie hellhäutige, vom Albinismus betroffene, afrikanische Eingeborene sahen. Noch vor 100 Jahren wurden die betroffenen Menschen als Sensation im Zirkus oder im Kuriositätenkabinett zur Schau gestellt. Dieses „Anderssein“ faszinierte die Leute, man verband es mit etwas Mystischem, mit übernatürlichen Fähigkeiten, nicht selten auch mit bösartigen Eigenschaften. Das alles gehört der Vergangenheit an. Auf Menschen sollte die Bezeichnung „Albino“ nicht angewandt werden, da Menschen nicht durch zufällig vorhandene Erkrankungen, sondern durch ihre Persönlichkeit charakterisiert werden. „Menschen mit Albinismus“ ist eine bessere Bezeichnung.
Beim Menschen ist die Krankheit des Albinismus recht gut untersucht. Es werden zwei Formen, der okulokutane und der okuläre Albinismus unterschieden. Bei der ersten Form sind Haut, Haare und Augen betroffen und äußern sich in Hellhäutigkeit, Weiß- bzw. Hellhaarigkeit und hellblauen Augen. Von der zweiten Form sind ausschließlich die Augen betroffen. Die unterschiedlichen Formen weisen zumindest beim Menschen darauf hin, dass verschiedene Mutationen an Genen, die für die Pigmentierung zuständig sind, Albinismus auslösen können. Bis jetzt sind etwa 10 verschiedene Mutationen auf den Chromosomen 1, 9, 10, 11, 15 und X bekannt. Die Hauptformen werden autosomal-rezessiv vererbt. Es kommen aber auch X-chromosomal-rezessive und extrem selten autosomal-dominante Erbgänge vor.
Der am weitesten verbreiteten Albinismusform liegt eine Mutation des Gens für das Enzym Tyrosinase (veraltet für Phenol-Oxidase oder Tyrosinhydroxylase; Chromosom 11) zugrunde. Das nun nicht zur Verfügung stehende Enzym kann die Aminosäure Tyrosin nicht mehr zu DOPA (Dihydroxyphenylalanin) – einer Vorstufe der Melanine – oxidieren. Damit ist der weitere Syntheseweg zu den Melaninen unterbrochen, die Herstellung und damit die Pigmentierung ist gestört und die Körperoberfläche sowie die Augen bleiben unpigmentiert. Der vollständige Albinismus (Albinismus totalis) wird beim Menschen, aber auch bei Tieren autosomal-rezessiv vererbt.
Phenylalanin-Tyrosin-Stoffwechsel
Im Gegensatz dazu ist der teilweise Albinismus (Albinismus partialis) vorwiegend autosomal-dominant vererbbar und durch das teilweise Fehlen von Melanin gekennzeichnet. Betroffene Organismen zeigen die Pigment- und damit Farblosigkeit nur an einzelnen Körperstellen bzw. -abschnitten.
Bei weiteren Formen des Albinismus können auch andere Syntheseschritte zu den Melaninen beeinträchtigt sein. Beispielsweise führt bei der Phenylketonurie (PKU) der durch die defekte Phenyl-Alaninhydroxylase verursachte Tyrosinmangel zu Melaninmangel. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Transport von Tyrosin oder die Einlagerung von Pigmenten gestört sind.
Direkte gesundheitliche Schäden treten durch Albinismus in der Regel nicht auf. Jedoch führt der Pigmentmangel zu Spätschäden . Da der UV-Schutz der Haut fehlt, unterliegen betroffene Menschen und Tiere einem sehr hohen Hautkrebsrisiko. Der weiße Albino-Gorilla „Schneeflöckchen“ des Zoologischen Gartens Barcelona, der als Jungtier 1966 in Gefangenschaft kam, musste Ende 2003 aufgrund fortgeschrittenen Hautkrebses eingeschläfert werden. Der Pigmentmangel führt auch zu Sehbehinderungen. Menschen und Tiere sind lichtempfindlicher und die zunehmende Zerstörung von Netzhautzellen des Auges kann von einer Beeinträchtigung der Sehfähigkeit bis zur Erblindung führen. Bis auf die benannten Schäden sind Erkrankte in der Regel gesund.
Im Tierreich führt die weiße Färbung allerdings zu erheblichen Einschränkungen der Fitness. Der Beutefangerfolg von Räubern ist durch die auffällige und damit eine Tarnung erschwerende Färbung geringer. Beutetiere werden im Gegensatz dazu wahrscheinlicher geschlagen, da sie durch die schlechte Anpassung an natürlich vorkommende Farbtöne deutlicher zu erkennen sind. In sozialen Verbänden führt die ungewöhnliche Färbung zu Außenseiteraggression. Solche Individuen können aus den Verbänden ausgeschlossen werden, was ihre Fitness und damit Überlebenschance zusätzlich verringert. Ebenfalls sind die Partnerfindung und damit der Fortpflanzungserfolg erschwert.
Auch bei Pflanzen können Erscheinungen dieser Krankheit auftreten. Ihnen fehlt das Pigment Chlorophyll, was ebenso durch Störung genetischer oder physiologischer Funktionen ausgelöst wird.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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