- Lexikon
- Biologie Abitur
- 4 Steuerung, Regelung, Informationsverarbeitung
- 4.5 Hormone
- 4.5.3 Die Metamorphose der Insekten ist hormongesteuert
- Stress – seine Korrelate in Veränderungen des Nerven- und endokrinen Systems
Konfliktsituationen, extreme Umweltbedingungen wie Lärm, Hitze, Kälte, Wassermangel, Raummangel, überhöhte Leistungsanforderungen, Unfälle, Ärger in der Schule, bei der Arbeit oder in der Familie, Liebeskummer und viele andere Faktoren führen zu Stress.
Unter Stress versteht man extreme Belastungen, die nicht genügend kompensiert werden können oder denen man nicht ausweichen kann. Diese Belastungen werden meist als unangenehm empfunden. Stress führt zu Verhaltensänderungen und Veränderungen der Körperfunktionen, ausgelöst durch Teile des Nervensystems und des endokrinen Systems.
Reize, die den Stress auslösen, bezeichnet man als Stressoren. Solche Stressoren können beispielsweise Lärmbelastung, Krankheiten, körperlicher Schmerz, Medikamente, Leistungsdruck, psychische Belastungen, Angst oder Überforderung sein. Faktoren wie falsche Ernährung oder Ernährungsmangel führen zu oxidativem Stress, welcher ebenfalls Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Organismus hat. Oxidativer Stress führt zu Veränderungen in den Zellen und kann die Bildung freier Radikale zur Folge haben, die den Alterungsprozess der Zelle und somit des Körpers beschleunigen.
Sowohl die individuelle Reaktion auf verschiedene Stressoren (Stresst dieser Faktor oder nicht? Wie stark stresst dieser Faktor?) als auch die spezielle Reaktion, die ein Organismus auf Stressfaktoren zeigt (z. B. Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Verspannungen, Bluthochdruck, depressive Stimmung, Lethargie, Aggression), sind bei jedem Lebewesen unterschiedlich. In der neueren Stressforschung wird zwischen Eustress und Distress unterschieden.
Eustress wird durch Umweltbedingungen oder innere Faktoren ausgelöst, die eine Leistungssteigerung vom Individuum erfordern. Er aktiviert die Körperfunktionen ohne zu krankhaften Veränderungen zu führen. Man könnte ihn also als „positiven“ Stress bezeichnen, ohne den ein Individuum sehr beeinträchtigt wäre. Denn ohne solche anregenden Reize, die das Herzkreislaufsystem aktivieren, den Wachheitszustand des Gehirns erhöhen, Thyroxin, Adrenalin- und Cortisolausschüttung steigern, würden die verschiedenen Anforderungen durch den Organismus nicht bewältigt werden können.
So wird beispielsweise die Vorbereitung der Abiturprüfung bei guter Planung, ausreichendem Schlaf, abwechslungsreicher Nahrung und gutem Ehrgeiz über den Eustress zur Mobilisierung aller Reserven führen.
Bei überhöhtem Leistungsdruck durch sich selbst, die Familie oder die Schule, durch zu kurze Vorbereitungszeit, große Kenntnislücken, wenig Schlaf oder einseitige Ernährung mit zusätzlichem Genuss- und Arzneimittelmissbrauch kommt es zu Distress.
Physiologische Veränderungen bei Eustress
Distress entsteht durch Dauer- oder Extrembelastungen, die nicht zu kompensieren sind und führt so letztlich zur Schädigung des Organismus.
Die unmittelbaren Reaktionen auf Stressfaktoren laufen immer gleich ab: Die Abgabe der Hormone Adrenalin und Noradrenalin erhöht die Schubkraft des Körpers und Energiereserven werden durch Abbau von Zucker aus Kohlenhydraten bereitgestellt. Der Organismus ist vollends auf eine körperliche Aktivität in Form von Flucht oder Kampf vorbereitet und eingestellt.
Physiologische Veränderungen bei Distress
Schauen wir uns diesen Vorgang am Beispiel des Stressors Lärmwirkung an. In unregelmäßigen Abständen auftretender starker Lärm (über 90 dB) erregt im Innenohr die Hörsinneszellen stark. Die Erregungen werden vom Gehirn registriert. Der Lärm wird vom Menschen als unangenehm und gefahrvoll empfunden. Die dabei entstehenden Erregungen, die vom Gehirn ausgehen, lösen in dem Nebennierenmark eine verstärkte Bildung und Abgabe der Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin) aus, d. h. es wird das Sympathikus-Nebennierenmark-System aktiviert. Die Hormone werden in das Blut abgegeben und mobilisieren Energiereserven des Körpers, erhöhen seine Empfindlichkeit und die Atemfrequenz, den Herzschlag und den Blutdruck. Durch die erhöhte Aktivität der Organe muss mehr Sauerstoff aufgenommen und transportiert werden. Gleichzeitig nehmen Zucker- und Fettgehalt im Blut zu. Dadurch werden auch die „Brennstoffe“ zur Energiefreisetzung bereitgestellt. Der Körper hat in kürzester Zeit auf volle Leistungsbereitschaft geschaltet. Die Leistungsbereitschaft wird parallel auch durch die Stimulierung der Thyroxinausschüttung gesichert.
Erlebt der Organismus diesen Ablauf häufig und in ansteigender Intensität, kann der Stress zu körperlichen Schädigungen führen (Distress).
Lärmursachen
Allgemein kann der so entstandene Zustand als Alarmzustand bezeichnet werden. Kurzzeitig auftretende Stressoren wirken in gleicher Weise bei Wirbeltieren und sichern so z. B. eine sehr schnelle Flucht (Widerstandsstadium).
Kann die Stresssituation nicht beendet werden, wird zusätzlich die Funktion der Nebennierenrinde beeinflusst (Langzeitstress).
Das vom Hypothalamus ausgeschüttete Releasing-Hormon fördert in der Adenohypophyse die Ausschüttung des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH), das seinerseits in der Nebennierenrinde die Abgabe von Mineralcorticoiden und Glucocorticoiden befördert, d. h. das Hypophysen-Nebennierenrinden-System wird aktiviert. Mineralcorticoide beeinflussen den Mineral- und Wasserhaushalt. Glucocorticoide mobilisieren Glucose aus dem Abbau von Proteinen und Fetten. Damit werden alle Energiespeicher aufgebraucht (Erschöpfungsstadium).
Erschöpfungszustände, Störungen der Funktion des Gehirns, Magengeschwüre, Bluthochdruck, Arteriosklerose und/oder Herzinfarkt sind Erkrankungen bei Dauerstress. Stress ist aber wie schon erwähnt auch abhängig von subjektiven Empfindungen. So empfinden Jugendliche beispielsweise Diskolärm nicht als stressig (obwohl der Organismus alle Anzeichen von Stress zeigt) und vermindern damit den emotionalen Stress.
Die ältere Generation empfindet Diskolärm nicht nur wegen der Lautstärke, sondern auch wegen des emotionalen Unbehagens als Stress.
Bei Tieren sind Beispiele für Erkrankungen mit Todesfolge als Reaktion auf zu große Lärmeinwirkung bekannt. Können die Stresssituationen beendet werden und ist der Krankheitsverlauf nicht fortgeschritten, führen wiederum Hormone zur Normalisierung der Körperfunktion. Auch sozialer Stress kann bei Tieren tödliche Folgen haben. Untersuchungen an Tupajas (Spitzhörnchen) zeigten über eine Erhöhung der Herzfrequenz und Aufstellung der Schwanzhaare („Bürstenschwanz“) deutlich die biosoziale Belastung des subdominanten Tiers. In Folge der Dauerbelastung durch das dominante Tier kommt es beim subdominanten Tier zu Herz- und Nierenversagen.
Stress kann auch durch Nichteinhalten elementarer Raumansprüche entstehen. Die Mindestdistanz ist z. B. beim Menschen die Armlänge (seitlich ausgestreckten Arme), bei Vögeln die Flügelreichweite und bei Schweinen die rotierende Körperlänge.
In der modernen Nutztierhaltung und bei Tiertransporten müssen Mindestabstände zur Stressvermeidung eingehalten werden. Dabei sollte nicht nur die Fleischminderung durch Stress ausschlaggebend sein.
Menschen geraten durch vielfältige Stressoren in krankmachende Stresssituationen. Um negativen Folgen vorzubeugen, ist eine individuell unterschiedliche Art der Stressbewältigung notwendig. Das können gemütliche Abende mit Freunden oder Familie, ein Ausflug ins Grüne oder aber Entspannungsübungen sowie ruhige Musik sein.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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