Entstehung der Eukaryoten aus Prokaryoten (Endosymbiontentheorie)
Wie sind Zellen mit Zellkern – die Eucyten der Eukaryoten – entstanden? Es ist heute weitgehend anerkannt, dass dies durch die Verschmelzung (= Endosymbiose) verschiedener Prokaryoten geschah. Die schon im 19. Jh. formulierte These, dass Chloroplasten und Mitochondrien ursprünglich prokaryotische Endosymbionten gewesen sind, wurde erst zur anerkannten Theorie, als man in den 1960er und 1970er Jahren den eigenen DNA-Gehalt dieser Zellorganellen nachweisen konnte. Unter Prokaryoten sind Symbiosen besonders weit verbreitet. Dies hängt auch damit zusammen, dass die winzigen Bakterienzellen permanent Gene aufnehmen und abgeben können. Nur so gelingt es ihnen, rasch auf Umweltänderungen zu reagieren – z. B. durch Resistenzbildung gegen Antibiotika.
Schon sehr früh in der Geschichte des Lebens, vermutlich vor mehr als 3 Mrd. Jahren, entwickelte sich aus kernlosen Prokaryoten auf bisher noch ungeklärte Weise – vermutlich in sehr warmer Umgebung – ein kernhaltiger Einzeller. Die Kernproteine (Histone) können dabei zur Stabilisierung der Nucleinsäuren bei hohen Außentemperaturen entstanden sein, wie man dies heute z. B. von dem Prokaryoten Thermoplasma kennt. Dies geschah zu einer Zeit, in der die Atmosphäre noch sauerstofffrei war. Eine weitere Besonderheit dieses Ureukaryoten war die Fähigkeit, über die Zelloberfläche Nahrungspartikel in Nahrungsvakuolen aufzunehmen, eine Fähigkeit, die bei anderen Prokaryoten fast vollständig fehlt.
Aufgrund der Aktivität blaugrüner Bakterien, die in der Lage sind, aus Kohlenstoffdioxid und Wasser unter Ausnutzung des Sonnenlichtes Kohlenhydrate und Sauerstoff zu produzieren, wurde die Atmosphäre der Erde vor 2,3 Mrd. Jahren allmählich sauerstoffhaltig. Zu diesem Zeitpunkt verschluckten Urkaryoten ein aerobes Purpurbakterium, das jedoch nicht verdaut wurde, sondern als „Mitochondrium“ ein Zellorganell bildete und in Zukunft für die Energiefreisetzung durch aeroben Kohlenhydratabbau („Atmung“) der Zelle verantwortlich wurde. Etwas später, vermutlich vor 2 bis 1,5 Mrd. Jahren, wurde durch „Verschlucken“ einer Cyanobakterienzelle ein weiteres Zellorganell in die Eukaryotenzelle aufgenommen, der Vorläufer der späteren Chloroplasten .
Auch die typische Geißel der Eukaryoten mit ihrer Stuktur aus 9 Doppelmikrotubuli und zwei Zentralmikrotubuli („9x2+2-Struktur“: Undulipodium) hat sich vermutlich durch Endosymbiose eines beweglichen, den heutigen Spirochaeten ähnlichen Bakteriums entwickelt. Noch heute sind solche Spirochaeten weitverbreitet, z. B. in unserem Speichel, im Verdauungstrakt, in den verschiedensten Tierdärmen und in anderen Innenhöhlen von Lebewesen. Nicht selten bilden sie reversible Gemeinschaften, indem sie sich an größere Organismen anheften und diese vorantreiben.
Die Einzeller Mixotricha paradoxa und Trichonympha entwickeln sogar Hakenstrukturen, an die sich frei lebende Spirochaeten anheften können. Auch innere Filamentstrukturen von Eukaryotenzellen, wie sie z. B. bei der Zellteilung auftreten (Spindelapparat), gehen wahrscheinlich auf endosymbiontische, spirochaetenartige Bakterien zurück.
Neben dem Einschluss fotoautotropher Bakterienzellen kam es vor allem bei Algen auch zu Endosymbiose anderer, bereits eukaryotischer Zellen. Dies erklärt z. B. die Drei- und Mehrfachmembranhüllen mancher Algenchromatophoren.