Gleichstellung von Mann und Frau
Die heutigen Rechte der Frauen sind Ergebnis eines jahrhundertelangen Emanzipationsprozesses – zum einen als weibliche Befreiung aus traditionellen Rollenmustern, Lebensweisen und vorurteilsbeladenen Klischeevorstellungen und zum anderen als Kampf gegen die Vormachtstellung des Mannes und die Unterdrückung der Frau in Gesellschaft und Staat. Frauen wurden z. B. erst 1909 in ganz Deutschland zum Studium zugelassen – 2006 waren in der Europäischen Union 59 % der Hochschulabsolventen Frauen. In Deutschland und anderen entwickelten Industriestaaten haben sich die Rolle, das Selbstverständnis und die Lebenssituation von Frauen im 20. Jh. grundlegend gewandelt.
In der Bundesrepublik ist die Gleichberechtigung der Geschlechter als gesellschaftliches Grundprinzip verfassungsrechtlich verankert. In der Familie ist die gleichberechtigte, partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben noch nicht erreicht, nach wie vor dominiert die Zuständigkeit der Frau für Haushalt und Kindererziehung.
Wandel im Geschlechterverhältnis
In der Bundesrepublik ist die Gleichberechtigung der Geschlechter als gesellschaftliches Grundprinzip verfassungsrechtlich verankert.
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
(Art. 3 Abs. 2 GG)
Da die juristische Gleichberechtigung allein nicht ausreichte, um in der Praxis eine tatsächliche Gleichstellung zu erreichen, wurde das Grundgesetz 1994 noch ergänzt.
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Gleichstellung umfasst:
- neben gleichen Rechten und Pflichten für Männer und Frauen,
- Diskriminierungsverbote,
- Chancengleichheit sowie
- Abbau von sozialen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft.
In der Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich die neue Frauenbewegung in den 1970er-Jahren aus Impulsen der Studentenbewegung und parallel zu anderen Neuen Sozialen Bewegungen, wie Umwelt- oder Bürgerrechtsbewegung.
Die Frauenbewegung kritisierte u. a. die Dominanz der männlichen Form in der Sprache und kämpfte für die sprachliche Repräsentanz von Frauen (BürgerInnen, Bürgerinnen). Gegenwärtig werden zunehmend geschlechtsneutrale Formulierungen, wie „fachgerecht“ statt „fachmännisch“ oder „Studierende“ statt „Studenten“ bevorzugt.
Die neue Frauenbewegung setzte sich für gleiche Rechte und Chancen für Frauen und Männer in allen Lebensbereichen – Gleichstellung von Mann und Frau – ein. Zentrale Ziele waren:
- gleicher Zugang zu Bildung, Ausbildung, allen Berufen, Macht- und Entscheidungspositionen, um eine gleichberechtigte Teilhabe in den Strukturen und Institutionen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu begründen;
- gleichberechtigte Geschlechterbeziehung und Aufhebung der traditionellen Rollen- und Arbeitsteilung in der Familie;
- Anerkennung frauenspezifischer Interessen, Bedürfnisse und Sichtweisen sowie Schaffung autonomer Freiräume.
Die Forderungen der Frauenbewegung haben die gesellschaftliche Realität in Deutschland in kontinuierlichen Diskussions- und Aushandlungsprozessen weitgehend verändert und zahlreiche Fortschritte in Bezug auf Gleichberechtigung gebracht:
- Das Selbstverständnis von Frauen und Männern ist mehrheitlich vom Gleichheitsanspruch getragen.
- Typische Mädchen- bzw. Jungensozialisationen wurden deutlich abgeschwächt (im Erziehungsstil dominiert die Norm der Gleichbehandlung der Geschlechter).
- Die Zukunftsvorstellungen und Orientierungen von Männern und Frauen hinsichtlich Familien- und Berufsorientierung sowie Partnerschaftlichkeit haben sich weitgehend angeglichen.
- Die Dominanz von typisch männlichen und weiblichen Lebensmustern und Rollen wurde aufgehoben, es entstanden ein modernisiertes Geschlechterverhältnis, mehr Wahlmöglichkeiten für Frauen (Familie, Kinder und/oder Karriere) und vielfältigere Formen von Sexualität.
- Bildungsstand und -chancen haben sich angeglichen, ebenso wie das Ausbildungsniveau von Frauen und Männern (teilweise bessere Bildungsabschlüsse von Frauen).
- Die weibliche Erwerbstätigkeit ist gestiegen, was auch auf mehr berufliche und Einflussmöglichkeiten von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verweist.
- Die Rechtsgrundlagen der Gleichstellung wurden verändert, z. B. durch Reformen des Ehe-, Familien- und Scheidungsrechts, eine kontinuierliche Gleichstellungspolitik wird betrieben.
Stellung der Frau in der DDR
Auch in der DDR war die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Verfassung verankert. In der DDR wurde der Grundsatz vertreten, dass sich die Gleichstellung der Geschlechter in der Berufstätigkeit von Mann und Frau sowie in gleichen Rechten und Pflichten der Ehepartner in allen Fragen des Zusammenlebens (Berufsausübung, Haushaltsführung, Kindererziehung) zeigt. Die Umsetzung dieses Ziels unterschied sich aber erheblich von der in der Bundesrepublik Deutschland, in der in den 1950er- und 1960er-Jahren das traditionell-bürgerliche Familien- und Frauenmodell dominierte.
Nach den Grundsätzen der Ideologie und Staatspolitik in der DDR war die wichtigste Voraussetzung für die soziale, ökonomische und politische Befreiung der Frau ihre Eingliederung in die Arbeitswelt. Das Ziel war, Frauen in die Erwerbstätigkeit voll einzubeziehen (Vollzeit-Berufstätigkeit). Die staatliche Politik war deshalb auf die Schaffung von Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern gerichtet. Das war verbunden mit einer systematischen und aktiven Frauen- und Familienförderung, u. a. durch:
- staatliche Kinderbetreuungseinrichtungen,
- besondere Leistungen für Mütter,
- berufliche Fördermaßnahmen.
Diese Politik zeitigte Fortschritte und Defizite in der praktischen Gleichstellung von Frauen. Einerseits hatte sich im Vergleich zur Bundesrepublik
- ein höheres Niveau an Bildung, Ausbildung und Erwerbstätigkeit der Frauen entwickelt,
- andererseits erhielten Frauen auch hier eine geringere Bezahlung,
- hatten sie geringere Karrierechancen und
- mehr Teilzeitbeschäftigungen als Männer,
- gab es wenige Frauen in gehobenen Positionen und einflussreichen Leitungsfunktionen.
Der Anteil erwerbstätiger Frauen mit Kindern war hoch, aber die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Familie bestand weitestgehend fort und führte eher zu einer Doppelbelastung der Frauen durch Erwerbsarbeit und Familienarbeit.
Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt
Trotz der Erfolge der Frauenbewegung und der Garantie der Gleichberechtigung im Grundgesetz, trotz der mittlerweile erfolgten Angleichung des Bildungsstandes und Ausbildungsniveaus von Männern und Frauen blieben auch in der Bundesrepublik Deutschland soziale und politische Benachteiligungen von Frauen bis heute bestehen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und in der Familie. Das gilt auch für die Länder der Europäischen Union.
Mit dem Amsterdamer Vertrag 1999 erhielt die Gleichstellungspolitik der Europäischen Union eine rechtliche Grundlage. Die konkreten Maßnahmen sind in den einzelnen europäischen Staaten jedoch national geregelt (z. B. Frauenförderung, Gleichstellungsbeauftragte).
Geschlechts- spezifische Benach- teiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt | Europäische Union | Bundesrepublik Deutschland |
geringeres Einkommen | Frauen verdienen bei gleicher Arbeitszeit im Durchschnitt 15 % weniger als Männer. | 22 % weniger |
mehr Langzeit- arbeitslose | Die Langzeitarbeits- losenquote von Frauen ist um 2 % höher als bei Männern. | 1 % höher |
mehr Teilzeit- beschäftigung | 33 % der Frauen arbeiten in Teilzeit, aber nur 8 % der Männer. | 45 % der Frauen, 9 % der Männer |
weniger Entscheidungs- und Führungs- positionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik | 24 % der Parlamentssitze, 32 % der wirtschaftlichen Führungspositionen, 15 % der Professuren werden von Frauen besetzt. | 32 % der Parlamentssitze, 22 % der wirtschaftlichen Führungs- positionen, 13 % der Professuren |
Eine wichtige Ursache dieser Ungleichheiten liegt in der eingeschränkten Berufswahl junger Frauen, die sich weniger für technikorientierte, naturwissenschaftliche und innovative Berufe in wachsenden Zukunftsbranchen (z. B. neue Technologien) entscheiden. Junge Frauen und Männer wählen nach wie vor überwiegend „Frauen-“ bzw. „Männerberufe“. Statistisch gesehen handelt es sich dann um „Frauen-“ oder „Männerberufe“, wenn 80 % oder mehr Frauen bzw. Männer die Erwerbspositionen in einem bestimmten Beruf besetzen.
typische „Frauenberufe“ | typische „Männerberufe“ |
Berufe in den Bereichen Erziehung/Pädagogik, Gesundheit, Soziales (z. B. Kindergärtnerin, Krankenschwester, Altenpflegerin), Büro und Einzelhandel (Verkaufspersonal), Reinigungsbereich | Berufe in den Bereichen Technik, Elektronik, Mechanik, Ingenieur- und Bauwesen, Maschinenbau (z. B. Kfz-Mechaniker, Industriemechaniker, Informatiker, Ingenieur), Naturwissenschaften, Verkehrswesen |
Die Unterscheidung in „Frauen- und Männerberufe“ beruht auch auf traditionellen Rollenbildern über die geschlechtsspezifische „Eignung“ für bestimmte Berufe (körperliche und intellektuelle Fähigkeiten, soziale Kompetenzen). Viele Tätigkeiten in typischen „Frauenberufen“ ähneln unbezahlten Tätigkeiten im privaten Haushalt (Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege). Sie sind häufig gesellschaftlich weniger anerkannt und werden geringer entlohnt.
Eine Hauptursache für die Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt liegt in der ungleichen Verteilung der Aufgaben innerhalb der Familie.
Ungleichheiten in der Familie
In der Familie ist die gleichberechtigte, partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben noch nicht erreicht, nach wie vor dominiert die Zuständigkeit der Frau für Haushalt und Kindererziehung.
Einerseits ist die Erwerbstätigkeit der Frauen selbstverständlich geworden, andererseits übernehmen Frauen auch weiterhin Verantwortung für Familie und Kinder. Mögliche Folgen oder Gefahren sind:
- eine Doppelbelastung der Frauen durch Familienarbeit und Berufstätigkeit (Stress, hoher Koordinierungsaufwand);
- Konflikte durch kollidierende Leitbilder von „guter Hausfrau und Mutter“ und „erfolgreicher, berufstätiger Frau“ (Vernachlässigung von Mutterrolle oder Karriereorientierung);
- geringere zeitliche Flexibilität und reduzierte Leistungsfähigkeit im Beruf (Teilzeitbeschäftigungen, „Karrierebrüche“, Erwerbsunterbrechungen, begrenzte Aufstiegschancen);
- höheres Kündigungsrisiko, materielle Unsicherheit, schlechtere Einstellungschancen auf Grund möglicher Mutterschaft, erschwerter beruflicher Wiedereinstieg nach der Familienphase;
- geringere Rentenansprüche.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt ein Frauenproblem. Die steigende Erwerbsquote von Frauen hat bereits erhebliche Auswirkungen auf die Geburtenrate in Deutschland. Frauen bekommen im Durchschnitt in immer höherem Alter immer weniger Kinder (niedrige Geburtenrate).
In Deutschland wählen die meisten Frauen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie das „Dreiphasenmodell“:
- Berufstätigkeit bis zur Geburt des ersten Kindes,
- Familienphase,
- Rückkehr in die Erwerbsarbeit.
In der Erwerbsphase entscheiden sie sich überwiegend für Teilzeitarbeit, die jedoch weniger Aufstiegs- und Karrierechancen bietet. Dagegen orientieren sich die meisten Männer am erwerbszentrierten Lebenslaufmodell (berufliche Karriere und Vollzeit-Stelle) und setzen Familienarbeit und Kindererziehung in Verantwortung der Frau voraus.
Die Mehrheit der Frauen orientiert sich am Bild der modernen, emanzipierten Frau. Aspekte des traditionellen Frauenbildes (z. B. Mutterrolle) werden mit neuen Werten, wie Karriereorientierung, neue Pädagogik in der Kindererziehung kombiniert. Die Mehrheit der Männer akzeptiert zwar die neue Frauenrolle, orientiert sich selbst aber überwiegend noch am traditionellen männlichen Rollenbild, was sich z. B. in der geringen Inanspruchnahme der Elternzeit zeigt. Zudem sind Politik und Wirtschaft, insbesondere Arbeits- und Berufswelt, nach wie vor an männlichen Lebens- und Verhaltensmustern ausgerichtet.
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